Dienstag, 10. Februar 2015

Alexithymie, Depression und die kranke Gesellschaft

Es ist höchste Zeit für einen Artikel über die sogenannte Alexithymie, die Depression und die kranke Gesellschaft, in der sie entstehen.

Die Depression


Mittlerweile hat sich die epidemische Ausbreitung depressiver Zustände weltweit herumgesprochen. Die sogenannte Depression wird als "Volkskrankheit", als "Krebs der Seele"  oder als DIE Krankheit des modernen Menschen schlechthin gehandelt. gesundheit.de schreibt über die Häufigkeit der Depression: "Aktuelle Zahlen sprechen von circa fünf bis sechs Millionen depressiven Menschen in Deutschland. Man geht davon aus, dass über elf Prozent aller Menschen in Deutschland im Laufe ihres Lebens an einer Depression erkranken." Sechs Millionen Depressive allein in Deutschland und 11 Prozent, die depressive Phasen selbst erlitten haben! Das ist eine ganze Menge. Die Anzahl der Depressiven auf der ganzen Welt ist noch viel erschreckender: "Schätzungen zufolge leiden weltweit inzwischen circa 350 Millionen Menschen unter einer Depression. Bis zum Jahr 2020 werden Depressionen oder affektive Störungen laut Weltgesundheitsorganisation weltweit die zweithäufigste Volkskrankheit sein", so das Bundesministerium für Gesundheit. Schockierend ist diese Zahl vor allem deswegen, weil 40 bis 70 Prozent aller Selbstmorde, so gesundheit.de, im Rahmen einer Depression ausgeführt werden und fast jeder Patient mit einer schweren Depression zumindest Selbstmordgedanken gehabt habe. Depression tötet.

Die kranke Gesellschaft


Depression tötet. Und die Gesellschaft sieht mehr oder weniger zu. Natürlich werden Depressive meist nicht einfach sterben gelassen, sondern behandelt. Aber die Depression wird dabei wie eine somatische Erkrankung des Gehirns behandelt und selten wie eine nachvollziehbare Reaktion auf eine "kranke Gesellschaft". Erich Fromm, der marxistisch-humanistische Psychoanalytiker und Sozialpsychologe, nannte die gegenwärtige, kapitalistische Gesellschaft "krank", weil sie die Menschen krank mache. Kapitalistische Konkurrenz, soziale Ungleichheit und die liberalen Illusionen erzögen die Menschen zu zerstörerischem und selbstzerstörerischem Verhalten. Ob damit nun die Natur des Menschen beschädigt werde, wie Fromm meint, ist hier unerheblich. Entscheidend ist, dass der Mensch in solch einer Gesellschaft krank werde, körperlich und seelisch. Im Grunde tötet vielleicht die Depression Menschen, aber Menschen machen andere Menschen depressiv. Es sind demnach menschliche Beziehungen, die Menschen krank machen und letztlich töten. So kann man fragen: "Wie kommt es nur, wird sich wohl so mancher psychologisch Interessierte hin und wieder fragen, daß immer mehr Menschen immer rücksichtsloser zu werden scheinen? Die meisten der weitverbreiteten Erklärungsmodelle greifen auf die Erkenntnisse Freuds und einiger seiner Schüler (z.B. Fromm, Adler) zurück: sie erklären die mangelnde Empathie der Rücksichtslosen seit längerem mit Kindheitstraumata, mit emotionaler Vernachlässigung in der Kindheit, mit der Prügelstrafe, Mißbrauch und ähnlichem. Inzwischen hat sich herausgestellt, daß auch weitaus subtilere 'Erziehungs'-Methoden zur Verringerung der Gefühlsfähigkeit führen können." Laut Fromm führen kapitalistische Konkurrenz, soziale Ungleichheit und der liberale Individualismus zusammen genommen zur verinnerlichten Vereinsamung und Gefühlsblindheit, die mit der Depression einhergehen.


Die Alexithymie


Depressive kennen das Gefühl der völligen Vereinsamung und die Gefühlsblindheit, die man auch "Alexithymie" nennt. "Wörtlich bedeutet Alexithymie: Nicht-Lesen-Können von Gefühlen", so Focus online. Das Nicht-Lesen-Können der eigenen Gefühle wie auch der Gefühle Anderer sind zwei Seiten der selben Medaille. Für diese Unfähigkeit machen sich Depressive üblicher Weise selbst verantwortlich. Und wenn sie "Gefühle" entwickeln, dann sind es oft Schuld"gefühle". Aber auch die nicht-depressive Gesellschaft sieht die Schuld tendenziell in den Depressiven selbst. Ein Schuldeingeständnis der Gesellschaft würde ja auch ihrem ganzen kapitalistischen, ungleichen und scheinbar liberalen Aufbau widersprechen. Es würde bedeuten, dass nicht das Gehirn oder der schwache Wille des Depressiven an seinem Zustand ursächlich ist, sondern die kranke Gesellschaft selbst. Und daraus müsste eine gesellschaftliche Debatte folgen, die am ganzen Aufbau der Gesellschaft Zweifel bestärkt. Eine Anerkennung der gesellschaftlichen Ursachen und Auslöser der Gefühlsblindheit und der Vereinsamung der Menschen in der gegenwärtigen Gesellschaft müsste den Kapitalismus, die Klassengesellschaft und die individualistische Ideologie herausfordern. Und um das zu tun, müsste die kranke Gesellschaft sich selbst heilen, sich selbst revolutionieren.

*Wichtiger Hinweis

Medizinische Hinweise auf einem nicht-medizinischen Blogeersetzen keine individuelle Diagnose und Behandlung durch Spezialisten.

Montag, 9. Februar 2015

Bürgertum vs. Unterschicht im SPIEGEL

"Umso größer das Bedürfnis der Mittelschichten, sich abzusetzen gegenüber den gesellschaftlichen Verlierern. Sich und anderen zu vergewissern: Mir kann nicht passieren, was der Unterschicht passiert, denn ich bin grundlegend anders als die." - so steht es geschrieben in einem absolut bemerkenswerten Artikel von Christian Rickens im SPIEGEL:

"Bürgertum vs. Unterschicht: Arbeitslos? Selbst Schuld!"